Kantenerkennung

In den fünfziger Jahren fanden D. H. Hubel und T. N. Wiesel heraus, dass im Gehirn von Affen und Katzen bestimmte Nervenzellen besonders auf horizontale, vertikale und diagonale Linien im Gesichtsfeld reagieren. Offensichtlich hat unsere Kognition also sehr viel mit Kantenerkennung zu tun. Sind also im Gehirn einfach die Kantenmuster verschiedener Gegenstände gespeichert und werden immer wieder mit dem visuellen Bild verglichen?

Auch aus diesem Bild können wir noch weitgehend die Früchte erkennen: Äpfel, Trauben, Banane, Kiwi... Und das, trotzdem lediglich die Kanten dargestellt sind.

Ein Grossteil unserer Wahrnehmung beruht also auf Kanten. Das erklärt auch, weshalb wir uns wesentlich mehr Bilder merken können, als dies eigentlich von der theoretischen Speicherkapazität des Gehirns denkbar ist: Kanteninformationen belegen nur einen unwesentlichen Bruchteil des Bedarfs für ein ganzes Bild, enthalten jedoch offensichtlich den Löwenanteil semantischer Information.

Beim Wiedererkennen von Gegenständen werden dann auch nur die Kanteninformationen verglichen. Ein Apfel kann grün, gelb oder rot sein, unser Gehirn assoziiert immer die gleiche Frucht.

Ein weiteres Indiz für starke Kantenbezogenheit kommt aus der Säuglingsforschung:

Ein neugeborenes Kind schaut der Mutter nicht in die Augen, sondern auf die Stirn: Dort, wo der Haaransatz einen starken Kontrast zum Gesicht darstellt. Erst später entwickelt sich dann die verfeinerte optische Wahrnehmung und alle Details werden berücksichtigt.

Zur nächsten Seite